Ich durfte keine Handwerkerin werden

Keine Handwerkerin

Ich durfte keine Handwerkerin werden

Anfang der 2000er hatte ich einen Traum. Als junges Mädchen von gerade mal 17 Jahren, habe ich mir ein Leben an großen Theatern dieser Welt vorgestellt. Die Kunst in all ihren Fassetten hatte mich schon immer fasziniert. 

Nur war mein Traum damals nicht etwa auf der Bühne zu stehen, sondern dahinter. Meine Begeisterung widmete sich nämlich dem Handwerk, ohne dass eine Inszenierung all ihren Charme verlieren würde – der Maskenbildnerei. 

Die Worte meiner Mutter waren bereits in meinem Kopf: „Das ist doch nichts Richtiges“ gefolgt von „Damit wirst du kein Geld verdienen“ waren nur einige Sätze, die ich innerlich aus weiter Ferne hörte. Am einprägsamsten war allerdings folgender Satz, den meine Mutter zu mir sagte, als ich ihr von meinem Plan erzählte, die Schule abzubrechen und dafür eine Ausbildung zu starten. 

Du sollst es mal "besser" haben

Das war offensichtlich mein Familienauftrag. Eine Ausbildung kam nicht infrage. Ich sollte keine Handwerkerin werden, nein! Ich sollte doch bitte als erstes Familienmitglied mein Abitur machen (inkl. Latinum, was eine absolute, unnütze Qual war) und danach brav studieren, irgendwas im Ingenieurwesen oder was mit Steuern wäre gut. 

So lautete jedenfalls der Plan meiner Mutter. Dass ich mich selbst weder als Ingenieurin sah noch als Steuerberaterin, interessierte damals niemanden. Als Beamten-Tochter sollte ich es mal „besser“ haben als meinen Eltern. Handwerkerin zu werden, bedeutete offensichtlich eine „Verschlechterung“. 

(Was auch immer Verbesserung oder Verschlechterung in diesem Kontext genau bedeutete, wurde damals nicht konkret definiert.) 

Wenn alle auf dich einreden ...

… dann ist es wirklich schwer als schüchternes 17-jähriges Mädchen, sich gegen die gesamte Familie zu stellen. Ganz ehrlich: Ich hab mich am Ende nicht getraut. Mich gegen meine gesamte Familie zu stellen, um Handwerkerin zu werden, hat mein damaliges Selbstbewusstsein noch nicht hergegeben. 

Die Botschaft dahinter war klar und deutlich: Das Handwerk war nicht gut genug für die einzige Tochter meiner Eltern. Ich sollte mir schließlich nicht „die Hände schmutzig“ machen und stattdessen lieber einen Beruf erlernen, den ich von einem Bürostuhl aus erledigen bzw. mit dem ich viiieeel Geld verdienen könnte. 

Um die Geschichte kurz abzuschließen: Ich wurde keine Handwerkerin. Stattdessen machte ich, wie gewünscht mein Abitur, startete ein Architekturstudium (das war noch irgendwie noch vertretbar für meine Familie), was ich nach 3 Jahren erfolgreich abbrach, um dann doch meinen eigenen Weg zu gehen. 

Hier kannst du mehr dazu lesen, wenn es dich interessiert:

20 Jahre später -
Heute weiß ich, warum das Handwerk ein so großes Nachwuchsproblem hat

Heute erkenne ich die falschen Glaubenssätze, die hinter den Parolen meiner Familie zu hören waren. Doch erkenne ich nun auch, wieso so wenig junge Menschen heute ins Handwerk gehen. Wenn bereits die Kinder aus den 80er Jahren mit giftigen Meinungen ihrer Eltern von handwerklichen Ausbildungen abgehalten wurden und heute selber Eltern sind, wird der Zusammenhang schnell klar. 

Wer damals von Sätzen wie, „Du sollst es mal besser haben als wir“, „Mach dir nicht die Hände schmutzig, Kind“, „Mach lieber was Richtiges“ oder „Im Handwerk verdienst du kein Geld“, geprägt wurde, der gibt diese Weisheiten natürlich auch an die eignen Kinder weiter. 

Und so werden jungen Menschen der Generation Z die alten Parolen und Weisheiten über die Arbeit im Handwerk ungefiltert und unreflektiert weiter gegeben. 

Aus heutiger Perspektive ist mir klar, wieso ich keine Handwerkerin werden durfte. Die Option ins Handwerk zu gehen, war für meine Familie offensichtlich eine negative Entwicklung der Familienbilanz. Obwohl ich mich nicht getraut habe, ins Handwerk zu gehen, habe ich dennoch die Überzeugungen meiner Eltern nicht übernommen. 

Im Gegenteil: Ich bin überzeugt davon, dass wir in unserer Gesellschaft die Berührungspunkte zum Handwerk vergrößern müssen. Nur durch Aufklärung, Einblicke hinter die Kulissen und Berichte über Modernisierung sowie Innovationen, können die veralteten Gedankenmuster in den Köpfen der Menschen verschwinden lassen. Dann „dürfen“ auch wieder mehr jungen Menschen Handwerker und Handwerkerinnen werden. 

Das Handwerk muss in den Köpfen der Eltern ansetzen, um den Nachwuchsmangel zu bekämpfen

Das Handwerk gibt sich an vielen Stellen Mühe, digital sichtbar zu werden und die Berührungspunkte junger Menschen mit dem Handwerk zu steigern. Ein schönes Beispiel dafür ist die Kampagne des Bundesverbands Metall – Let’s play metall. Hier können sich Metallbetriebe kostenfrei Marketing-Medien herunterladen und diese für die Werbung neuer Auszubildender nutzen. Die Kampagne ist aus meiner Sicht absolut gelungen und spricht mit ihren Videoinhalten die Generation Z in der richtigen Stimmung an. 

Solche Kampagnen braucht das Handwerk, keine Frage. Die Zielgruppe Generation Z wird hier klar und deutlich angesprochen. Doch wer schaut sich diese gut produzierten Videos am Ende wirklich an? 

In den meisten Fällen werden es junge Menschen sein, die ohnehin schon Interesse an einem handwerklichen Beruf haben. Und aufgrund der fehlenden Präsenz in den Schulen und in den Köpfen der Eltern fällt die Interessenstreuung in der Generation Z oftmals nicht sehr groß aus. 

Die digitale Sichtbarkeit fürs Handwerk hört also nicht nur bei den Teenagern und jungen Erwachsenen auf, sondern darf noch viel weiter gedacht werden. Solange Eltern zu Hause ihren Kindern predigen, dass das Handwerk etwas Schlechtes sei oder ihnen das intrinsische Interesse sogar noch ausreden, wie in meinem Fall, wird das Handwerk sein Nachwuchsproblem nicht in den Griff bekommen. Bis dahin wird es keine Handwerkerinnen und Handwerker geben.

Ursachenforschung -
Wie entstanden negative Überzeugungen gegenüber dem Handwerk

Ich denke, es ist wichtig zu verstehen, woher die Parolen und negativen Überzeugungen dem Handwerk gegenüber herkommen. Die Generation Z (Jahrgänge zwischen 1996 und 2012) und Y (Jahrgänge zwischen 1980 und 1995) sind in diesem Fall nur das Sprachrohr der Generation X (Jahrgänge zwischen 1965 und 1980).*Quelle

 

Perspektive der Generation X: 

Arbeiten, um zu leben. Das war die Sichtweise der Generation X. Anders als die Generation der Baby Boomer (Jahrgänge zwischen 1946 und 1964), die noch gelebt haben, um zu arbeiten, wechselte die Perspektive der Generation X quasi ins andere Extrem. 

Wenn Arbeiten nur als Mittel zum Zweck und nicht mehr als integrierter bzw. wertvoller Teil des eigenen Lebens angesehen wird, wird schnell deutlich, wieso die Generation X dem Handwerk den Rücken zugewandt hat. Arbeiten bedeutet für die X-ler Geld verdienen und das am besten viel und ohne große körperliche Anstrengung. 

Natürlich schneidet das Handwerk mit dieser Definition von Arbeit nicht gut ab. In den meisten Handwerksbetrieben sitzt man eben nicht von 9 bis 17 Uhr in einem klimatisierten Büro und kann sich auf dem eigenen Stuhl im Kreis drehen. 

Das Handwerk lebt von dem intrinsischen Wunsch nach Selbstwirksamkeit. Wer etwas mit seinen Händen erschaffen möchte und am Ende des Arbeitstages sehen bzw. anfassen möchte, was er/ sie geleistet hat, der/ die ist im Handwerk gut aufgehoben. Dieser Wunsch existierte in der Generation X jedoch nur sporadisch. Das Motto war: Ich will kein Handwerker/ keine Handwerkerin sein.

Mit dem Handwerk verknüpft wurde hingegen: Die Arbeit im Handwerk ist anstrengend, dreckig und bringt nicht genug Geld. Und diese Verknüpfung wurde im Laufe der Jahre an die nächsten Generationen weiter gegeben. 

Hier liegt also der Ursprung für die gesellschaftlich negative Sicht auf den Handwerksberuf. 

 

Das Handwerk steht nicht im Widerspruch zu beruflichen Wunschvorstellungen junger Menschen

Die Generationen Y und Z definieren das Thema Arbeit wiederum anders für sich. Die Y-ler möchten Arbeit und Leben verbinden, wohingegen die Z-ler wieder einen trennenden Ansatz von Leben und Arbeit vertreten.

Beide Generation streben jedoch Selbstwirksamkeit und Sinnhaftigkeit in ihren beruflichen Tätigkeiten an. Hier entsteht also ein riesiges Potenzial für das Handwerk

Das Problem ist nur, dass die oben genannten Generationen Y und Z zu wenig positive Berührungspunkte mit dem Handwerk in ihrer Erziehung erleben durften. 

Das liegt allerdings nicht nur an der prägenden Eltern-Generation, sondern auch an Versäumnissen im Handwerk selbst. Denn viele Betriebe haben nach den 90er Jahren verpasst, am digitalen Wandel der Welt teilzunehmen. Websites sind noch auf dem Stand von vor 15 Jahren, mit veralten Fotos und keiner Handyoptimierung. Treffen junge Menschen auf so einen restaurierungsbedürftigen Internetauftritt, kann es ihnen kaum jemand verdenken, wenn sie kein Handwerker oder keine Handwerkerin werden wollen. 

Falls du mehr zu dem Thema lesen möchtest, habe ich hier einen weiteren Blog-Artikel für dich.

 

Mehrgenerationen Aufklärung über die Möglichkeiten im Handwerk - Wie könnte das Konzept aussehen?

Um mehr junge Menschen, Quereinsteiger und Fachkräfte vom deutschen Handwerk zu überzeugen, bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes, der mehrere Generations- sowie Gesellschaftsschichten einfängt. 

Es geht dabei nicht bloß um Sichtbarkeit des Berufsfeldes oder einzelner Betriebe z. B. in den sozialen Medien, sondern es bedarf einer generellen Aufklärungsarbeit und einer Omnipräsenz an Berührungspunkten mit dem Handwerk an sich.

Um den Nachwuchsmangel zu bekämpfen und die offenen Ausbildungsplätze zu besetzen, brauchen Teenager und junge Erwachsene, die über eine Karriere im Handwerk nachdenken, auch eine entsprechende familiäre Rückendeckung. Die Entscheidungen junger Menschen sind oftmals von den Meinungen des eigenen Elternhauses abhängig. Bedeutet, wenn Kampagnen, wie „Let’s play metall“ potenzielle Bewerber:innen tatsächlich begeistern, ihnen ihre Motivation ins Handwerk zu gehen, zu Hause jedoch wieder ausgeredet wird, stelle ich die Sinnhaftigkeit des Marketings im Handwerk infrage. 

Employer-Marketing darf also nicht bloß auf die Generation Z ausgerichtet werden, die vielleicht gut über TikTok und Co. erreichbar wäre, sondern sollte meiner Meinung nach auch allumfassende, digitale Kanäle nutzen. Ein Beispiel hierfür wäre ein Podcast oder ein YouTube-Kanal. 

Content, also in Inhalte der Beiträge auf den einzelnen Plattformen darf hierbei auch breiter gefächert werden. Alleine den Spaß am Beruf zu demonstrieren ist hier ebenfalls zu kurz gedacht. Vielmehr müssen Handwerker und Handwerkerinnen ihre Arbeitgeber:innen-Qualitäten herausarbeiten. Es muss plastisch dargestellt werden, welche Möglichkeiten, Perspektiven und Benefits die Arbeit im Handwerk und eigenen Betrieb hat. Und diese Inhalte müssen dabei so aufbereitet werden, dass sowohl die jungen Leute ihren persönlichen Mehrwert darin erkennen, als auch die Eltern-Generation vom Handwerk zurückerobert werden kann. 

Hätte es vor 20 Jahren schon digitale Content-Formate wie einen Handwerker-Podcast gegeben, hätte meine Familie mir vielleicht nicht gesagt: „Sarah, du wirst keine Handwerkerin.“

Heute arbeite ich in meinen Beratungen mit verschiedenen Betrieben daran, ihr Unternehmen als Arbeitgeber:innen Marke digital sichtbar zu machen und gemeinsam die mediale Omnipräsenz im Internet zu vergrößern. 

Heute gibt es die digitalen Mittel, um das Handwerk als Branche und jeden einzelnen Betrieb als attraktiven Arbeitgeber:innen zu präsentieren. Leider schöpfen noch zu wenige Betriebe diese Möglichkeit voll aus. 

Mir ist wichtig, dass kein junger Mensch jemals mehr zu hören bekommt, dass sie oder er keine Handwerkerin oder Handwerker werden darf, denn dieses Berufsfeld wird zu Unrecht maßlos unterschätzt und missverstanden. 

*Quellen: Wikipedia

Hi, ich bin Sarah

als Copywriterin, Podcasterin & kreative Content Strategin

unterstütze ich Selbstständige und Unternehmen dabei, sich mit starken Texten, überzeugenden Content und einem eigenen Podcast online zu präsentieren, um leichter mehr ihrer Angebote zu verkaufen.

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