Ich wollte mich melden, doch es ging nicht, denn hinter mir liegt tatsächlich die schlimmste Woche meiner bisherigen Chemotherapie.
In meinem letzten Artikel, vergangenen Mittwoch schrieb ich noch, dass der Medikamentenwechsel recht entspannt sei.
Das muss ich jetzt leider zurückziehen.
Um es kurz zu machen: Das waren die fürchterlichsten Tage meines bisherigen Lebens, physisch und psychisch. 🤬
Aber lass uns vorne anfangen…
Die Schmerzen kommen - mit kleinen Messern 🔪
Während meiner allerersten Chemo unter EC vergangenen August hatte ich auch Gliederschmerzen. Ganz neu waren Schmerzen während der Chemotherapie für mich also nicht.
Allerdings gingen damals die Schmerzen mit einer Ibuprofen ganz gut weg und es war „aushaltbar“.
Vergangene Woche war es anders.
Donnerstagabend, als das Kortison allmählich nachließ, kündigte sich etwas an.
Klitze kleine Messerchen, die random einfach irgendwo in meine Beine einstachen, nur um blitzschnell wieder rausgezogen und irgendwo anders erneut versenkt zu werden.
(Fühlte sich ein bisschen an, als hätte Chucky Halloween verpasst 🤡 🔪)
Beim Gehen sind mir durch diese kurzen Stiche quasi die Beine weggebrochen. Gehen tat auf einmal unfassbar weh.
Gut, ich bin ja schlau, lege ich mich also hin, den Bring-Service hat man als Krebspatientin eh inklusive. … doch leider wurde es nicht besser.
Chucky stach einfach immer weiter auf mich ein.
Das klingt jetzt vielleicht etwas lustig oder runtergespielt. Tatsächlich weiß ich gerade auch nicht, wie ich es ohne Humor und Sarkasmus ertragen könnte.
6 Tage konnte ich kaum aufstehen. 6 Tage nicht duschen, weil ich nicht so lange hätte stehen können in der Dusche. Alles tut weh. Immer.
Auch beim Schlafen.
Der Schlaf ist nicht friedvoll, wenn es keine Position gibt, die nicht weh tut. Schlafen geht auch wirklich schlecht, wenn Schmerzen einen eigentlich chronisch davon abhalten.
Und ich sag’ dir: Du willst auch einfach irgendwann nicht mehr liegen. Du willst kein Fernsehen, kein PlayStation spielen, nicht häkeln… du willst eigentlich nur raus.
Du willst raus und dich bewegen.
Doch dafür müsstest du dich eben auch bewegen können.
Schmerzmittel
Tabletten sind nicht so meins. Generell stehe ich nicht so sehr auf Chemie an und in meinem Körper. Deswegen ist jede Spritze, jede Pille (und na klar auch jeder Chemo-Infusionsbeutel) eine innere Diskussion mit mir selbst.
Vielleicht bin ich auch eher der Typ Mensch, der Schmerzen gedenkt auszuhalten.
Jedenfalls ging es nun einfach nicht mehr, die Schmerzen waren nicht mehr auszuhalten und das vor sich hinvegetieren war bzw. ist einfach kein dauerhaft erstrebenswerter Zustand.
Ein Versuch mit Ibuprofen war gelinde gesagt wirkungslos. Hätte ich auch Ticktacks schlucken können. 🍬
Die Onkologin hat mir daraufhin Metamizol verschrieben.
Nachdem mein Mann und ich vergangene Woche „Dopesick„mit Michael Keaton geschaut haben, ist mein Radar für Schmerzmittel noch etwas mehr angeheizt worden.
(Große Empfehlung an dieser Stelle. Die Serie ist wirklich toll produziert, glänzt mit einer grandiosen Besetzung und einer wahren Story über den Missbrauch von Oxycodon in den USA.)
Es hat einen Tag gedauert, bis ich mich getraut habe, das Schmerzmittel zu nehmen. Denn Metamizol ist laut Beschreibung das höchst dosierte Schmerzmittel, was noch kein Opioid ist.
Das machte mir natürlich Angst und tut es auch immer noch.
Die Ärztin hat mir empfohlen, die nächsten drei Tage 3×2 Tabletten täglich zu nehmen, um den Schmerz zu durchbrechen. Danach sehen wir weiter.
Ich nehme im Moment so viele Tabletten. Mein Tag startet quasi mit einem Frühstück aus 6 Pillen. Eine Tablette für die Schilddrüse, eine gegen die Übelkeit der Chemo, eine gegen die Polyneuropathie, zwei gegen die Schmerzen und eine für den Magen, damit er diese ganze Chemie irgendwie überlebt.
Mein Frühstück. Yummy 😋
Mittags und abends gibt es natürlich auch noch ein paar Medis, um über den restlichen Tag zu kommen.
Die Pharmaindustrie verdient im Moment wirklich gut an mir. 💊
Am nächsten Tag wieder Chemo? Ja? Nein? Vielleicht?
Vergangenen Montag war ich in der Onkologie, wie gewohnt zur Blutabnahme.
Ich schilderte meine Beschwerden (ich hasse es so zu jammern) und sagte auch gleich, ich wüsste nicht, wie ich am nächsten Tag schon wieder die nächste Chemo überstehen sollte.
Mein Körpergefühl war (und ist es auch immer noch) einfach nur schlecht.
Bei der wöchentlichen Chemotherapie mit Pacli und Carbo gibt es für den Körper keine Erholungsphase so wie im ersten Zyklus während der EC.
Mein Körper fühlte sich Montag noch so gar nicht bereit an, wieder einen Chemo-Coacktail zu bekommen. Ich fühlte mich so gar nicht bereit.
Mein ganzer Körper – ein einziger Schmerz. Jeder Schritt eine Anstrengung zu viel. Meine Verdauung … (okay ich erspare uns allen das Thema^^)… nichts an meinem Körper funktionierte schon wieder und dann sollte direkt die nächste Dosis rein?
Da war einfach nur Angst.
Wenn mein Körper noch nicht bereit war, wie soll dann bitte die Steigerung dessen aussehen, was ich in der letzten Woche durchgemacht habe?
Würde ich dann nur noch sabbernd die Decke anstarren können?
Wie mit diesen Gefühlen umgehen?
Doch mit wem darüber sprechen? Die Menschen in meinem direkten Umfeld können diese Gefühle nicht verstehen. Das erwarte ich auch nicht.
Ihnen steht die Hilflosigkeit genau so ins Gesicht geschrieben, wie mir.
Jeden Tag sehe ich in die hoffnungsvollen Augen meines Mannes Sascha, der mich fragt, ob es mir ein bisschen besser geht.
Und es bricht mir irgendwie jedes Mal das Herz ein kleines bisschen, wenn ich ihn enttäuschen muss.
Ich hasse es zu jammern, ich hasse es immer negativ zu sein, aber ich kann dieser Situation jetzt gerade in diesem Moment nichts Positives mehr abgewinnen.
Wir rangieren hier zwischen, es ist mal 10% besser oder schlechter als gestern.
Und auch meine Familie, meine Freunde oder auch meine kleine Community, ich weiß, ihr seid alle hilflos. Ihr könnt nur sagen:
„Durchhalten!“, „Du schaffst das!“, „Du bist eine starke Frau.“
Danke! Ich weiß das zu schätzten, nur gerade fühle ich mich einfach überhaupt nicht so.
(Und ich kann diese ganzen Empowerment-Sprüche auch nicht mehr hören.)
Durchhalten und aushalten, mich selbst quälen, das sind Dinge, die kann ich einfach gar nicht gut. Und ehrlich gesagt, sind das auch schon Wörter, die ich persönlich für mich innerlich ablehne.
Ich will in meinem Leben nichts aushalten müssen. Ich will nicht durchhalten müssen, in der Hoffnung, dass irgendwann mal irgendwas erträglicher wird. Ich will mich einfach zu nichts zwingen und selber quälen müssen.
Ich glaube an Dinge wie Kreativität, FLow, intrinsische Motivation, die in die richtige Richtung zieht und nicht treibt. An Intuition und ein gesundes Bauchgefühl.
Doch all die Dinge, an die ich glaube, sehe ich gerade leider nicht. Instagram und dieser Blog sind gerade meine einzige kreative Auszeit und irgendwie die letzte Verbindung zur Außenwelt.
Egal, zurück zum Thema.
Trost hab ich wieder bei Threads gefunden. Ich hätte es nicht gedacht. Ich mag die App. Fast 130 Menschen sind mit mir auf eine unheimlich wertschätzende und liebevolle Weise in Kontakt getreten, um mir Mut zu spenden.
Menschen, die meine Ängste kennen, die die Hoffnungslosigkeit schon einmal selbst geschmeckt haben oder gerade mitten drin sind. Und das tat gut. Die Aufmerksamkeit, die Selbstwirksamkeit hinter dieser wertvollen Kommunikation.
Also Props gehen raus an die guten Menschen auf Social Media 😚
Wie es weiter ging...
Ein Teil von mir hatte die Hoffnung, dass Montagabend der erlösende Anruf aus der Onkologie kommt: „Frau Herzog, die Chemo morgen fällt aus, wir machen eine Woche Pause, Ihre Blutwerte sind nicht gut.“
Ehrlicherweise hatte ich bei meinem miesen Körpergefühl damit gerechnet.
Doch der Anruf blieb aus.
(Irgendwie auch gut, denn ich will ja auch, dass es endlich mal vorbei ist und nicht noch im Sommer mit der Chemo beschäftigt sein.)
Geschlafen habe ich vor lauter Angst vor noch mehr Schmerzen und noch mehr Elend nicht. Sascha hatte sich extra freigenommen, um mich an dem Tag zu fahren und begleiten.
Er gibt echt alles und ich liebe ihn so sehr dafür. 🩷
Und als ich dann Dienstagmorgen in meinem Sessel saß, mein Port angestochen wurde und es einfach so sehr weh tat (wie ja gefühlt alles eigentlich), platzte meine Tapferkeit und ich musste wieder anfangen zu weinen.
Ich habe schon lange nicht mehr geweint. Seit #touchmycancer bin ich eigentlich frei vom chronischen Dauerweinen über meine Situation.
Doch als das Blut floss, flossen auch meine Tränen wieder. Da ließ sich die Anspannung wohl nicht mehr zurückhalten.
Du siehst, die 2te von 12 Pacli/ Carbo Chemos hab ich jetzt in mir.
Wie es mir geht?
Noch kickt das Kortison. Die Schmerzen sind dank des Metamizols erträglich (nicht weg, aber erträglich) und ich fühle mich schlapp.
Es hat sich eigentlich nicht viel verändert. Vielleicht bin ich etwas müder, aber das ist schwer zu messen, wenn man sich eh für alles zu schlapp fühlt.
Gerade bin ich froh, dass ich etwas schreiben konnte. Das tat gut.
Und dir danke fürs lesen. 😉
Sarah