„Das wird jetzt die härteste Zeit deines Lebens“ – So beschrieb mir eine Freundin Mitte Juli 2024, was nun auf mich zukommen sollte.
Nachdem ich mit einem Triple negative Brustkrebs frisch diagnostiziert wurde, war klar: Ich werde eine Chemotherapie machen müssen.
Ein Schock! Eine Chemo darum kam ich nicht drumherum?
Das würde jetzt also mein ganzes Leben auf den Kopf stellen.
Von medizinischen Informationen, aktueller Forschung und neusten Statistiken zugeschüttet, versuchte ich mich irgendwie auf das, was jetzt auf mich zukommen würde vorzubereiten.
Kleiner Spoiler: Auf Krebs, eine Chemotherapie und die daraus entstehenden Lebensveränderungen kann man sich nicht vorbereiten.
Trotzdem wollte ich damals nicht glauben, dass es wirklich soooo schlimm werden könnte.
Vielleicht könnte die Chemotherapie ja auch einfach ganz okay sein?
Die Medizin ist mittlerweile viel weiter, vielleicht sind die Nebenwirkungen, vor denen alle so viel Angst haben, am Ende gar nicht so wild?
Vielleicht habe ich ja auch einfach mal Glück?
Von heute auf morgen 40 Jahre älter
Für eine Person, die Unabhängigkeit, Freiheit und Autonomie als höchstes Gut in ihrem Leben erachtet, sind diese körperlichen Einschränkungen ein Schock.
Egal wie gut man sich versucht sich auf die kommenden Nebenwirkungen einer Chemotherapie einzustellen, eine wirkliche Vorbereitung ist auch hier nicht möglich.
Man möchte es nicht glauben, aber nur 2-3 Tage nach der ersten Chemotherapie-Gabe war meine Kondition nicht mehr existent.
Treppen steigen? Ohne Sauerstoffzelt?
Keine Chance.
Von jetzt auf gleich fühlte ich mich nicht mehr wie eine 38-jährigen gesunde, energetische Frau, sondern wie eine 80-jährige gebrechliche Oma.
Das ist hart.
Neben den offensichtlichen Veränderungen, die eine Chemotherapie in der Regel mit sich bringt, wie bspw. Haarverlust oder Gewichtsveränderungen spüren wir Patient:innen auch die körperlichen Veränderungen im Inneren.
Die Atmung verändert sich, die Kondition nimmt schlagartig ab und im späteren Verlauf der Therapie kamen bei mir noch kognitive und motorische Einschränkungen dazu.
Kognitive Einschränkungen
Die kognitive Einschränkung – besagtes „Chemobrain“ – ist vor allem eine sehr nervige Nebenwirkung der Chemotherapie.
Das Schreiben (hier auf dem Blog) fiel mir im Laufe der Therapie zunehmend schwerer.
Aufmerksam zuhören oder beim Lesen am Ende der Seite noch zu wissen, was man oben gelesen hatte, wurde zur absoluten Herausforderung.
Ich neige in meiner Artikulation zu Schachtelsätzen und konnte mich während meiner Chemobrain-Phase am Ende meiner Sätze nicht mehr erinnern, wie ich das Verb nun grammatikalisch korrekt konjugieren sollte.
(Nerdtalk – I know – aber für mich wirklich ein großes, nerviges Problem.)
Vergesslichkeit oder eine mögliche Einschränkung im Kurzzeitgedächtnis kamen ebenfalls dazu.
Der Weg in die Küche, um eine Tasse Tee zu kochen, wurde dann zur Tagesaufgabe, weil der süße Blick meiner Katze mich so sehr abgelenkte, dass ich vergaß, warum ich überhaupt in der Küche stand.
Heute im März 2025, 6 Wochen nach meiner letzten Chemotherapie kann ich sagen, das Chemobrain ist weg. Mein Gehirn funktioniert wieder, ich fühle mich wieder schlau (Emoji).
Zuhören, lesen, schreiben alles funktioniert auf kognitiver Ebene wieder ganz normal. Dafür bin ich wirklich sehr dankbar.
Anders sieht es leider bei der Motorik aus …
Polyneuropathie und jede Menge Wasser
Polyneuropathie ist eine sehr häufige Nebenwirkung der Chemotherapie und ist (Achtung: nur subjektive Darstellung) eine Form der Nervenschädigung in den Extremitäten.
Bei mir äußert sich die PNP durch taube Fingerkuppen, leider in allen Fingern und tauben Füßen.
Die Fingerkuppen schmerzen zum Glück nicht, die Füße hingegen schon. Hier sind auch nicht bloß die Zehen betroffen, sondern der gesamte Fuß.
PNP fühlt sich für mich so an, als wären meine Füße eingeschlafen und steif. Es kribbelt im Grunde genommen die ganze Zeit und gleichzeitig ist die Haut taub und überempfindlich. Eine ziemlich eklige Kombination, wie ich finde.
Hinzu kommen Wassereinlagerungen, vermutlich noch als Nebenwirkung des Kortisons während der Chemotherapie.
Die Wassereinlagerungen führen ungünstigerweise auch zu einer Steifheit in den Gelenken und wirklich weniger werden, wollen sie auch nicht 🤕.
Nach der Chemotherapie invalide - Ich fühle mich so hilflos
Aktuell bin ich absolut abhängig von meiner Mutter.
Nachdem mein Mann die Trennung wollte und für mich daraus ein Umzug zurück in die Heimat resultiert war, bin ich mehr oder minder wieder bei meiner Mama eingezogen.
Was blieb mir auch anderes übrig?
Anders wäre ein „Überleben“ für mich zurzeit nicht möglich.
Ich bin pflegebedürftig. Das muss ich mir eingestehen. Und glaub mir bitte, es ist unheimlich schwer sich das einzugestehen.
Nach meiner OP und dem 12-tägigen Krankenhausaufenthalt bin ich sehr schwach gewesen.
Meine Mum musste mir helfen mich zu waschen, aufzustehen, zu gehen, Getränke einzugießen und so weiter.
Nichts ging mehr, nur alleine auf Toilette gehen (mein letztes bisschen Emanzipation – Yeah).
Ich habe Angst, dass das so bleibt. Ich will nicht für den Rest meines Lebens invalide bleiben und auf Hilfe angewiesen sein.
Was mache ich denn, wenn meine Mum irgendwann nicht mehr da ist?
Ich kann mir nicht vorstellen nie mehr zu arbeiten oder alleine zu verreisen. Ich will mir das auch gar nicht vorstellen.
Vielleicht klingt es überheblich, aber so ein Leben, mehr Zombie als Mensch wäre für mich nicht lebenswert.
Mitleid von außen
„Sarah, das tut mir Alles so unendlich leid. Ich wünschte, ich könnte dir das ganze Leid wegzaubern.“
Diese und ähnliche Worte höre ich in letzter Zeit ständig, im Grunde genommen nur noch.
Ich liebe meine Freunde, meine Familie oder meine Leser:innen, aber bitte schenkt mir nicht nur Mitleid. Das hilft mir leider gar nicht.
Lenkt mich ab mit Normalität, überrascht mich mit etwas Unerwartetem, erzählt mir Geschichten aus eurem Alltag, zeigt mir, wie euer Leben aussieht.
Nur immer über mich reden und meine ganzen Gebrechen, das macht mir nur noch trauriger. Ich bin eh gefangen in diesem Schicksal, wir brauchen also bitte nicht immer nur über mich reden.
Lasst uns über dich reden.
Ich kämpfe schon weiter, versprochen.
Noch habe ich nicht aufgegeben.
Sarah
2 Antworten
Du wirst gefälligst auch nicht aufgeben!!!! Das wäre ja noch schöner!! So viel ist geschafft und durchgestanden……da ist aufgeben keine Option.
Das mit den schmerzenden Gelenken kenn ich nur zu gut, beim Wasser bin ich auch ganz vorne mit dabei. Ich bin heute eine Runde mit dem Pferd spazieren gegangen und jetzt musste ich mich für den Hund aus das Fahrrad setzen. Nix mehr zu wollen…alles tut weh…..
Also ein bisschen auf dem Sofa sitzen, deinen absolut toll formulierten Artikel lesen und Beine hoch.
Liebe Grüße Nina
Liebe Sarah!
Mich interessiert es immer und immer wieder, wie Du Dich fühlst und ich bin überzeugt, dass unser Körper eine Wundermaschine ist und ich glaube in kleinen Schritten an Deine Regeneration! Ich glaube Dr.Müller-Wohlfahrt hatte mal gesagt: 1Tag krank, 2 Tage Genesung.
Vielleicht nützt Dir diese Aussage, dass eben die Genesung jetzt länger braucht. Ach so, falls Du Themenwechsel weit ab von Dir möchtest: 2025 ist das Jahr cooler neuer Staffeln! Also für Serienjunkies und Coachpotatoes ein richtig gutes Jahr!