Ein paar Gedanken zur Selbstreflexion, wenn die Therapie ausfällt

Ein paar Gedanken zur Selbstreflexion, wenn die Therapie ausfällt

Heute Morgen um 06:00 Uhr klingelt mein Handy: Frau Herzog, die Therapie muss heute leider krankheitsbedingt ausfallen. 

Schade – Ich hätte einiges zu besprechen gehabt. 

Nun teile ich meine Gedanken eben mit dir. 😉

Immer wieder dieser November

Der November ist für mich der schwierigste Monate im Jahr. Die Tage sind kurz, der Himmel ist grau und der Weihnachtszauber lässt noch auf sich warten. 

Der November drückt mir jedes Jahr erneut aufs Gemüt. 

Letztes Jahr im November hat mich eine Depression aus dem Leben gerissen, dieses Jahr ist es der Brustkrebs. 

Ganz ehrlich? Ich sehe mich selbst nicht als die Person an, die immer krank ist, die ständig irgendwelche Wehwehchen hat. 

Ich fühle mich auch jetzt, mit Glatze, Wimpern und Augenbrauen los, mitten in der Chemotherapie nicht krank. 👩🏻‍🦲

Und dennoch kann ich wieder mal sagen, der November zieht an meiner Stimmung. 

Die Landschaft verändert sich, das Licht verändert sich und auch die Menschen verändern sich, ziehen sich zurück oder sind schon wegen des Jahresendes im Stress-Modus gefangen.   

Es entsteht auch eine innere Erlaubnis, wenn die Tage kürzer und kälter werden, sich auf dem Sofa einzukuscheln, zu lesen oder häkeln und dabei eine heiße Tasse Kakao zu genießen. ☕️

Vielleicht führt auch dieser innere Rückzug zum vermehrten Grübeln und Reflektieren meinerseits. 

Wasser im luftleeren Raum

Ich möchte dir ein kleines Bild beschreiben, welches meinen inneren Zustand wahrscheinlich ganz gut beschreibt: 

Stell dir vor, wir sind im Weltall. 🪐 Um uns herum herrscht luftleerer Raum. Mitten in diesem Raum aus gar nichts schwebt ein Tonkrug. Dieser Krug ist gefüllt mit Wasser. 

Dieser Krug zerbricht nun. Seine Einzelteile fliegen und entfernen sich allmählich von der nun wabernden Wassermasse, die alleine weiter durch das Weltall fliegt. 

Die Wassermasse ist zwar in sich geschlossen, aber hat keine feste Form mehr. 

Ungefähr so wie diese vor sich wabernde Wassermasse fühle ich mich aktuell. Ich spüre keine feste Hülle mehr und mit Hülle meine ich die Antwort auf die Frage: Wer bin ich oder wer möchte ich sein? 

Jeder Impuls von außen hat die Möglichkeit, diese Wassermasse zu verformen. Jede Form scheint möglich. 

Als wissensdurstiger Mensch lerne ich gerne neue Dinge. Ich höre Podcasts oder lese Blogs und Bücher zu Themen, die mich interessieren. Irgendeine Weiterbildung mache ich immer. Irgendwo kommt also immer ein Impuls her. 

Nur fühlt es sich gerade so an, als würden mich diese Impulse „verformen“.  

Ist Abgrenzung hier ein Thema?

Die Frage stellt sich mir, wenn ich meine eigenen Worte so lese. 

Bin ich einfach nur sehr leicht zu begeistern? Ist es einem kreativen Kopf zu verdanken, dass neue Impulse direkt meine innere Ideenschmiede anfeuern? Oder ist das hier nur ein Problem mangelhafter innerer Abgrenzung? 

Letzten Endes suche ich mir diese Impulse ja aktiv selbst aus. Lebenslanges Lernen ist durchaus etwas, wonach ich strebe, genau wie der Wunsch mich stetig weiterzuentwickeln. 

Wichtig ist hier also eher, nicht gleich jeden Impuls zu integrieren. 

Also durchatmen, neue Impulse, neues Wissen, neue Möglichkeiten wahrnehmen und erstmal „liegen lassen“. Versuchen, gelassener mit der grünen Wiese vor mir umzugehen.

Bei sich selbst bleiben ist harte Arbeit

Neigt man dazu etwas „anpassungsfähig“ zu sein, dann bedeutet – bei sich selbst bleiben – oftmals einen Schritt zurückgehen. Denn es ist harte Arbeit, sich ständig gegen eine vielleicht auch erlernte Anpassungsfähigkeit zu wehren. 

Das klingt vermutlich gerade alles etwas philosophisch oder psychologisch (deswegen wollte ich ja auch mit meiner Psychotherapeutin darüber sprechen und nicht mit dir, aber jetzt müssen wir hier wohl beide durch 😉).

Es ist Arbeit zu sortieren, welche Interesse man weiter verfolgen möchte, welche Wege man weiter gehen möchte, welche Kontakte man intensivieren möchte. 

Ständig sind wir alle, du und ich, von so unfassbar vielen Impulsen aus dem Außen umgeben, die auf uns niederprasseln, dass wir uns kaum gegen ihren Einfluss wehren können. 

Ein gutes Beispiel hierfür ist sicherlich Social Media. Wenn du mich schon länger kennst, weißt du ja bereits, dass ich kein sonderlich großer Fan davon bin. 

Social Media, das Handy generell oder auch jedes Medium was irgendwie flimmert, produziert Impulse für uns. Sagt uns, was wir tun sollen, was wir essen sollen, welchen Sport wir machen sollen, wie wir aussehen sollen, wie wir uns fühlen sollen und vor allem, was wir kaufen sollen. 

Sich davon nicht ständig übermannen zu lassen, ist hart und bedarf ein Mindestmaß an bewusstem Konsumverhalten. 

Der Kommerz möchte bestimmt, dass wir alle nur wabernde Wassermassen sind, die sich von jeder Werbeanzeige verformen lassen. 

Die Kunst ist wirklich bei sich zu bleiben, durchzuatmen und zu prüfen: 

Will ich das eigentlich?

Sarah

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